Mittwoch, 16. Dezember 2015

Christkindl anstatt Kris Kringle

Ich liebe die englischen Christmas Carols, Deko mit Stechpalmenzweigen oder Orangenscheiben und Weihnachtssymbole wie Zuckerstangen und Rentierschlitten. Und weihnachtliche Muffins und Cake Pops sind mir lieber als Christstollen. Was aber den Gabenbringer betrifft, verteidige ich vehement die heimatliche Tradition!
Bei uns sagt kein Santa Claus "Ho ho ho!" und kommt durch den Kamin.
Bei uns kommt überhaupt kein Mann an Weihnachten, sondern nur am Abend des 5. Dezember.

alte Zeichnung des Christkinds oder WeihnachtsengelsBei uns kommt das Christkind!

Das Zimmer mit dem Christbaum wird dafür fertig dekoriert und dann abgesperrt. Denn ein stiller, weihnachtlich geschmückter Raum ist das Zeichen für das Christkind, dass alle bereit sind für die Bescherung. Dann fliegt es heimlich ein, legt die Geschenke unter den Baum, entzündet die Lichter und zaubert vielleicht auch noch leise Musik herbei. Wenn es das Haus wieder verlässt, erklingt ein Glöckchen als Zeichen für uns Menschen. Wir wissen damit: "S'Christkindl hot eiglegt!" Und kommen am Christbaum zusammen, um das Weihnachtsfest zu feiern.

Kennt ihr das auch so oder wie ist bei euch die Tradition?


Wer kommt eigentlich wo und seit wann? Dazu habe ich ein paar Infos zusammengetragen.


Deutschland, uneinig' Weihnachtsland

Dass das Christkind nur im Süden Deutschlands verbreitet ist und im nördlichen Teil statt dessen der Weihnachtsmann, war mir bekannt. Aber wie sieht die geographische Verteilung wirklich aus? Das wollte ich genauer wissen und habe die Suchmaschine bemüht...


Christkind oder Weihnachtsmann? Verbreitungsgebiete in Deutschland
selbst gezeichnete Karte
Die einzige informative Quelle, die ich gefunden habe, ist der "Atlas zur deutschen Alltagssprache" (http://www.atlas-alltagssprache.de/). Danach ist recht klar abgrenzbar, wo das Christkind die Geschenke bringt (grün) und wo der Weihnachtsmann (blau). Der "Limes" verläuft mehr oder weniger genau entlang von Bundesländergrenzen. Natürlich gibt es auch Ausnahmen, besonders im Übergangsbereich, die aber in der Karte nicht eingezeichnet sind. Speziell im westlichen "Christkindl-Land" ist als Gabenbringer (immer mehr) auch der Weihnachtsmann bekannt.

Woher kommt diese auffällige geographische Verteilung? Und warum gibt es überhaupt verschiedene Geschenkboten?

Von Martin Luther bis zu Coca-Cola

Lebendiges Brauchtum bleibt nicht über Jahrhunderte gleich; es wird verändert, angepasst und abgewandelt, weil sich die Haltung der Menschen ändert oder weil man modischen Trends folgt. Oder aber es wird sogar ein neuer Brauch erfunden, um einen bestimmten Zweck zu erfüllen. Dem Gabenbringer ging es im Laufe der Zeit nicht anders.

Hl. Nikolaus - im Dienst bis zum 16. Jahrhundert:

Hl. Nikolaus mit Krampus, Zeitungsillustration von 1896
Zuerst gab es nur Geschenke zum Nikolausfest am 6. Dezember. Dieser Brauch entstand aus Legenden um den heiligen Bischof von Myra. Die Geburt Jesu an Weihnachten war dagegen ein stiller Tag mit Gebeten anstatt eines prachtvollen Festes. Denn früher erachteten die Christen Ostern als weit wichtigeres Datum.
Während das Fest des Hl. Nikolaus schon seit dem 10. Jahrhundert im deutschsprachigen Raum begangen wurde, kam der grimmige Begleiter Knecht Rupprecht oder Krampus erst nach dem Mittelalter dazu. Heute gibt es den Brauch nur mehr in katholischen Regionen.

Christkind - im Dienst seit dem 16. Jahrhundert:

Christkind-Darstellung im "Struwwelpeter" von 1845
Dem Reformator Martin Luther war die Heiligenverehrung ein Dorn im Auge und damit ebenso das Nikolausfest. Außerdem lenkte dieser Brauch von dem seiner Ansicht nach sehr bedeutsamen Geburtstag des Herrn ab. Das Nikolausfest wurde daher bei den Protestanten abgeschafft und das Schenken auf Weihnachten verlegt. Als Gabenbringer führte Luther das Christuskind ein. Dieser neumodische Brauch wurde sehr beliebt und verbreitete sich auch in den katholischen Gebieten. Aus der ursprünglichen Darstellung des Jesuskindes wurde im Laufe der Zeit eine mädchenhafte Engelsfigur.
Seltsamerweise hat sich diese protestantische Erfindung ausgerechnet bei den Katholiken bis heute gehalten, ist aber bei den Lutheranern wieder weitgehend verschwunden.

Weihnachtsmann - im Dienst seit dem 19. Jahrhundert:

Weihnachtsmann mit bodenlangem Mantel
Wer wo und wann den Weihnachtsmann zum Gabenbringer machte, ist anscheinend nicht geklärt. Vielleicht vermissten manche Protestanten doch die althergebrachte Nikolausfigur? Jedenfalls tauchte er wohl um 1800 herum auf, denn das Lied "Morgen kommt der Weihnachtsmann" von Hoffmann von Fallersleben stammt aus dem Jahr 1835. Er hat sich im gesamten protestantischen Teil Deutschlands durchgesetzt und ist weiter auf dem Vormarsch. Sicherlich dank seines Kollegen aus der anglo-amerikanischen Welt.

Santa Claus - im Dienst seit dem 19. Jahrhundert:

Santa Claus Illustration von 1907
Europäische Auswanderer brachten den Nikolausbrauch mit nach Amerika. Die holländische Version Sinterklaas ist wohl der Namensgeber für Santa Claus. Zahlreiche Künstler, Poeten und Zeichner, formten im Laufe der Zeit die Figur des heutigen Gabenbringers. Dabei flossen die unterschiedlichsten Weihnachtsmythen mit ein: Der Geschenksack stammt vom Nikolaus, die Rute vom Knecht Rupprecht. Rentierschlitten, Elfen und ein Wohnort weit im Norden sind Einflüsse aus Skandinavien. Bereits bevor Coca-Cola Santa Claus zur Werbefigur machte (1931), wurde er so dargestellt, wie wir ihn kennen - in Rot, mit Zipfelmütze, schwarzem Gürtel und dickbäuchig (s. Illustration von 1907). Erfunden hat der Getränkehersteller den modernen Weihnachtsmann also nicht; aber geprägt und weltweit bekannt gemacht. Und durch Coke und andere angloamerikanische Einflüsse kam er in den letzten Jahrzehnten als Re-Import wieder zu uns zurück.
Kris Kringle ist übrigens ein Synonym für Santa Claus. Warum dem Weihnachtsmann die englische Version des Wortes "Christkindl" verpasst wurde, konnte ich nicht herausfinden.  

Bold scho hear ma wieda am Christkindl sei Gleckerl