Dienstag, 4. Oktober 2016

Schreiben mit dem Plotter

Aus dem Schneide- kann man einen Schreibeplotter machen, wenn man das Messer durch einen Stift ersetzt. Weil aber wie beim Plotten die Konturlinien nachgefahren werden, bleiben Flächen innen leer - auch Buchstaben. Fonts mit sehr dünnen Zeichen wären hier gefragt...
Ich habe meine Cameo Strafsätze schreiben lassen, nachdem sie 2 Tage lang gezickt hatte, und dies gleich dazu genutzt, Schriftarten auf ihre Sketching-Tauglichkeit zu testen.
Die Ergebnisse möchte ich euch heute zeigen. Außerdem sind viele Infos und Bilder mit dabei: über Einstellungen im Studio, über Stifte und Stifthalter, über sog. Single Line Fonts und Fülldateien.

Im Bildausschnitt oben könnt ihr hoffentlich erkennen, dass die Buchstaben ungefüllt sind. Ob dies deutlich zu sehen ist, hängt natürlich von der Schriftart ab, aber auch von anderen Dingen.
Infos dazu und zum Sketchen an sich sind in diesen Abschnitten zu finden:
(Anklicken zum Hinspringen)
Betrachtungsabstand     Schriftarten     Single Line Fonts     Stifte und Papier
Einstellungen im Studio     Sketch-Zubehör     Fülldatei

Betrachtungsabstand

Das zweite Foto zeigt die ganze beschriebene Fläche. Je weiter man davon entfernt ist, umso voller sehen die Buchstaben aus. Im Umkehrschluss: Je größer der Abstand des Betrachters zum Text sein wird, umso weniger muss man beim Erstellen der Datei auf eine superdünne Schriftart achten.

Damit ihr eine Vorstellung von der realen Größe der abgebildeten Schriftzüge habt: Das Papier war 21 cm breit (A 4), jeder Satz somit also ca. 9 cm und die dicke Blockschrift unten um die 16 cm.

Schriftarten

Die für meinen Test gewählten Fonts waren vorinstalliert oder bei Software mit dabei; einzig "Paprika" stammt von Silhouette und war mal ein Freebie. Schriftgröße und Zeichenabstand hatte ich jeweils so angepasst, dass die Textobjekte - wenn möglich - ungefähr gleich hoch und breit waren. Die Fontnamen könnt ihr dem Screenshot entnehmen.
Mit dem Ergebnis bin ich zufrieden. Ich finde, jede der 16 Schriftarten ist - zumindest bei dieser Zeichenhöhe - brauchbar, auch wenn ungefüllte Bereiche dabei sind. Was meint ihr?
Ihr müsst euch also keine speziellen Sketch-Fonts besorgen - jede feine Schrift ist geeignet, ob bereits installiert oder bei dafont und Co.

NACHTRAG: Schriftarten mit nicht so feinen Zeichen kann man mit Hilfe der Funktion "inneres Offset" dünner machen.

Single Line Fonts

Als Suchfilter wird oft der Begriff "single line" genannt. So bezeichnete Fonts sind aber auch nichts anderes als dünne Schriftarten.
Für die normale Textverarbeitung gedachte Buchstaben KÖNNEN nämlich gar nicht nur aus einer einzigen Linie bestehen - es sind immer Flächen. Warum? Weil wir ja Text in verschiedenen Farben drucken können wollen. Und nur Flächen können mit Farbe gefüllt werden.

Echte "single line" Zeichen mag es zu CAD-Software geben, wo Maschinen lediglich mit Strecken bzw. Pfaden etwas anfangen können; diese müssten ähnlich aussehen wie mein eigener Versuch im Studio, mit Hilfe des Kurvenverlaufwerkzeuges zu schreiben.

Stifte und Papiere

Bedenkt auch, dass Stift und Papier Einfluss auf das Ergebnis haben. Ist die Tinte dünnflüssig und das Papier saugend, verläuft die Farbe. Dies kann einen Fülleffekt haben, im Extremfall aber zur Unleserlichkeit führen. Dasselbe gilt für die Strichbreite: ein feiner Gelschreiber hinterlässt eher leere Flächen als ein Filzstift, eine sehr dicke Spitze ist bei gleicher Textgröße ungeeignet.
Wenn ihr also Stift, Papier und Zeichenhöhe/-abstand aufeinander abstimmt, sieht euer Schriftzug einigermaßen gefüllt aus, ohne undeutlich zu werden.

Für mein Probe-Sketching habe ich einen schwarzen Gelschreiber mit Glitzer genommen, weil bei dem der Tintennachfluss ordentlich klappt. Manche Stifte funktionieren ja nicht in alle Richtungen gleich und mit manchen ist das Schreiben sogar richtig ätzend.

Enstellungen im Studio

Egal, wie dünn euer Stift ist - die gezeichnete Kontur ist immer dicker als euch normalerweise im Programm angezeigt wird. Um die Vorschau dem Sketch-Ergebnis ähnlicher zu machen, nehme ich die Füllung raus und stelle die Linienstärke so hoch, dass sie meinem Eindruck nach der Strichbreite meines Stiftes ungefähr entspricht. Ich finde das sehr hilfreich.

In den Messereinstellungen habe ich alles auf Schneiden gestellt und Skizzenstift statt Ratschenklinge gewählt. Den Programmvorschlag für Geschwindigkeit und Dicke beim Sketchen hatte ich anfangs gar nicht gesehen und selber irgendwas ausprobiert und abgespeichert; bei meinen Stiften ist minimaler Druck ausreichend.
Je nach Material drücken wir beim Schreiben auch unterschiedlich fest auf. Das sollte man beim Anpressdruck mit berücksichtigen, finde ich. Der Plotter knallt den Stift auch ordentlich auf den Untergrund auf; bei zu hoher Einstellung gibt's dann einen dickeren Anfangspunkt, ist mein Eindruck.

Sketch-Zubehör

Auf dem Foto könnt ihr sehen, dass der Stift in einem blauen Halter steckt; fixiert wird er durch drei Plastikschrauben. Er heißt "Universalhalter V2" oder so ähnlich und ist aus Metall. Ich finde ihn ganz gut, allerdings ist die Öffnung unten für die Spitze sehr eng. Ich möchte auch Stifte mit dickerer Strichbreite verwenden, dafür habe ich das Loch größer machen müssen (mit dem Akkubohrer).

Wenn ihr euch Sketch-Zubehör für den Silhouette Plotter anschaffen wollt, habt ihr mehrere Möglichkeiten - die originalen Stifte oder statt dessen einen Halter, mit dem ihr eure eigenen Schreiber benutzen könnt (wenn sie denn hineinpassen).
Die Werkzeughalterungen von Portrait, Cameo und Curio sind gleich groß - ihr könnt also euren Plotter zeichnen lassen, egal, welchen ihr habt.
  • die Sketch-Pens von Silhouette: haben den gleichen Durchmesser wie das Messer, deshalb brauchen sie keinen extra Halter; innen sind normale Kugelschreiberminen
  • die Stifthalter von Silhouette: drei Plastikteile mit verschiedenen Durchmessern als Adapter für einen Halter mit Abstandskappe
  • den bereits beschriebenen V2, für Stifte mit max. 12 mm Durchmesser
  • einen dem V2 ähnlichen: auch aus Metall, ist oben kürzer, hat 2 Metallschrauben, Öffnung oben ist auch ca. 12 mm; erscheint mir noch stabiler als meiner, wie eng die untere Öffnung ist, weiß ich allerdings nicht

Ganz eingeschoben, sitzt mein Stifthalter ungefähr so tief wie das Messer (wie das bei anderen ist, weiß ich nicht). An sich ist also bei gelifteter Halterung genügend Abstand zum Papier. Aber Stifte können ganz unterschiedlich sein: die Gehäusespitze kann schmal oder dick sein und der sichtbare Teil der Mine unterschiedlich lang. Davon hängt es ab, wie viel vom Stift letztendlich zu sehen ist. Ein dünner Stabilo z.B. ragt aus meinem V2 viel weiter hervor als ein Pelikan Inky (bestimmt auch bei Haltern, die angeblich keine manuelle Höhenanpassung brauchen).
Aus diesem Grund wird oft ein Eisstäbchen o.ä. empfohlen, das man beim Einsetzen unter den Messerwagen legt. Die Höhe des Stiftes bzw. wie weit der Halter eingeschoben wird kann man so anpassen.

Fülldatei

Wollt ihr, dass der Plotter eine Fläche ausmalt, müsst ihr euch mit einem Trick behelfen, denn er kann ja nur Linien. Man gebe ihm also ganz viele davon, parallel und eng aneinander. Vorlagen mit solchem Muster heißen Fülldateien. Dicke Blockbuchstaben könnt ihr so mit Strichen ausfüllen (Werkzeug "Abschneiden" - wie das genau geht, erkläre ich ein ander Mal).
Je nach Stift und Linienabstand ist das Ergebnis komplett farbig oder schraffiert.

Auf dem Foto sind die Schraffuren gut zu sehen.
Das war beabsichtigt. Für "volle" Buchstaben müsste nur das Größenverhältnis Text zu Linienmuster angepasst werden.

NACHTRAG:
Man kann leere Flächen auch über das Offset-Werkzeug mit Linien füllen. Kirsten Plotz hat in einer fb-Gruppe auf diese Möglichkeit hingewiesen und in Text und Bild gleich noch gut erklärt. Mit ihrer Erlaubnis darf ich ihre Anleitung hier einfügen (nochmals vielen lieben Dank!):
"ich würde als weitere Füllmöglichkeit die internen Offsets noch aufnehmen ... man klickt den Text an -> Offset -> interner Offset (0,1mm, das kleinste was geht) hinzufügen. Man lässt den eben erstellten internen Offset markiert, geht wieder auf Offset -> interner Offset... usw; also man erstellt interne Offsets von internen Offsets ... bis dieses nicht mehr geht. Im Screenshot unten habe ich den einzelnen Offsets jeweils eine andere Linienfarbe gegeben, damit man es besser sieht; geschnitten/geschrieben habe ich mit einem einfachen Kugelschreiber"



Ja, Wahnsinn... eigentlich wollt ich nur von meinem Schriftentest berichten, und dann ist doch wieder ein umfangreicher Artikel mit vielen - hoffentlich nützlichen - Infos draus geworden. Mich kurz zu fassen, gehört irgendwie gar nicht zu meinen Stärken...
Ist's euch zu lang? Zu umfassend? Bitte gebt Bescheid, wenn was nicht passt (und natürlich auch seeehr gern, wenn alles wunderbar ist). Danke :)

Und warum meine Cameo "Ich bin eine Mimose" schreiben musste?

Des is a andre Gschicht - de erzähl i eich a anders Mol